Ein Denkzeichen
ARTus-Kolumne »So gesehen« Nr.544
In der DDR, in der ich aufgewachsen bin, habe ich über Georg Elser, der den Krieg verhindern wollte und ein Attentat auf Hitler verübte, nichts vernommen. Und das, obwohl er bis 1933 Wähler der Kommunistischen Partei Deutschlands war und seit 1928 auch Mitglied des Roten Frontkämpferbundes. Er wollte zu denen gehören, die gegen Hitler aufstanden und gegen den Krieg Flagge zeigten. Hätte man ihn in der DDR nicht ehren müssen, seine interessante Lebensgeschichte aufarbeiten? Was stand dagegen? War es sein allzu individueller Aufstand, sein radikal einsamer Entschluss, allein Widerstand zu leisten? Das passte so gesehen in keine gängige Schublade.
Georg Elser, der einfache schwäbische Handwerker, verkörperte eine höchst seltene Alternative zum blinden Gehorsam. Er taugte nicht zum Mythos der Gruppenwiderständler mit höheren Zielen. Sein bedingungsloses, unabgesprochenes Handeln war den Geschichtsdeutern in Ost wie West einfach nur unangenehm, wenig ausbeutbar in den großen historischen Abläufen. Elser gehörte nicht zum elitär-konservativen Widerstand der Stauffenbergs und Goerdelers, der sich erst nach Jahren des Mitläufertums formierte und er war auch kein gläubiger Parteisoldat, der nur auf Befehl konspirativ handelte. Er agierte aus persönlicher Überzeugung, um »einen Krieg zu verhindern«.
Elser: »Die von mir angestellten Betrachtungen zeitigten das Ergebnis, dass die Verhältnisse in Deutschland nur durch eine Beseitigung der augenblicklichen Führung geändert werden könnten.« So plausibel können Betrachtungen sein.
Sein Attentat bereitete er akribisch ein Jahr lang vor. Wie und mit welchen Konsequenzen, das konnte man auch auf Rügen in Erfahrung bringen. Am 3. August 2007 sprach anlässlich einer Ausstellungseröffnung Dr. Jürgen Rostock, Leiter des Dokumentationszentrums Prora, ausführlich über den »Fall Elser« und das Attentat vom 8. November 1939, das den zu früh aufgebrochenen Redner Hitler im Münchener Bürgerbräukeller nur um Minuten verfehlte. Die aufschlussreiche Dokumentation räumte mit manchen Vorurteilen auf. Auch die immer wieder für Überraschungen sorgenden »Lichtspiele Sassnitz e.V.« lieferten am 4. November 2009 mit dem Brandauer-Film von 1989 »Georg Elser – Einer aus Deutschland« diversen Zündstoff zum Nachdenken. Für Klaus Maria Brandauer war Elser ein Stiller, der »weit weg von der Macht… viel besser als die im Zentrum begreift, welch ein Verhängnis da auf sein Land zurollt.«
Nun endlich und endlich unübersehbar für viele wurde in Berlin ein Georg-Elser-Denkmal eingeweiht. Der Autor und Initiator Rolf Hochhuth bezeichnete die 17 Meter hohe Stahlskulptur des Künstlers Ulrich Klages als ein »menschliches Zeichen für Menschen«. Es könne als Mahn-Mal dienen für ein Volk, das zwar die Freiheit liebt, »nicht aber die, die sie gebracht haben.«
Ohne Zweifel, ein Denk-Mal mit explosiver Aussagekraft. ARTus