Krupp-Kolleg

Öffentlicher Abendvortrag im Rahmen der Alfried Krupp Fellow Lectures


Mittwoch, 11. Dezember 2013 • 18:30 Uhr

Von Weltschildkröten zu archimedischen Punkten und Gravitationskräften. Die Rolle kosmologischer Metaphern in der Suche nach Gewissheit im 18. Jahrhundert

Dr. Monika Tokarzewska (Fellow des Alfried Krupp Wissenschaftskollegs)

Ende des 18. Jahrhunderts publizierte der philosophische Patron der Frühromantik, Johann Gottlieb Fichte, seine erste Abhandlung zur ‚Wissenschaftslehre‘. Verfolgt man die kosmologische Metaphorik dieses Textes, so stellt sich heraus, dass es keine zufälligen Schöpfungen von Fichte sind, sondern dass sie im Metapherngerüst des 17. und 18. Jahrhunderts verankert sind. Ein Bild von der Erde, die sich auf dem Rücken mythologischer Tiere: Elefanten und Schildkröten, stützt, nahm seinen Weg, beginnend mit den landeskundlichen Schriften der Missionare über Fontenelles Abhandlung zur Popularisierung der Kopernikanischen Weltsicht bis hin in die Philosophie. Denker wie John Locke griffen diese Darstellung mythologischer Kosmogonie auf, um im Angesicht der spektakulären Entwicklung der Naturwissenschaften die Krise der Philosophie zum Ausdruck zu bringen. Auch Fichte benutzte dieses Motiv. Es handelte sich um eine Grundlagenkrise, ein neues Anfangsdenken musste her. Autoren wie Kant, Fichte und Novalis formulieren ihre Vorschläge, einen neuen Anfang zu denken, auch mit Hilfe von kosmologischen Metaphern. Für die Ausformulierung des Neuen greifen sie nach modernen Entdeckungen wie der Gravitationskraft. Eine Interpretation alter und neuer kosmologischer Metaphern enthüllt ein faszinierendes Ringen zwischen dem Diskurs des Geistes und der Verwissenschaftlichung der Natur.

Dr. Monika Tokarzewska studierte in Warschau Germanistik und Polonistik und ist seit Herbst 2000 am Lehrstuhl für Germanistik der Universität Torun tätig. 2006 promovierte sie mit dem Thema „Der feste Grund des Unberechenbaren. Georg Simmel zwischen Soziologie und Literatur“. 2002 bis 2003 war Monika Tokarzewska Kollegiatin am Ost-West-Promotionskolleg der Universität Bochum und hatte danach mehrere Stipendienaufenthalte (DAAD, Klassik-Stiftung) in Bielefeld, Hamburg, Heidelberg und Weimar. Von September 2013 bis März 2014 ist sie Junior Fellow am Alfried Krupp Wissenschaftskolleg Greifswald. Ihre Forschungsschwerpunkte sind die Verbindungen zwischen Literatur und Philosophie wie auch Soziologie, ferner deutsch-polnische Komparatistik.

Moderation: Dr. Christian Suhm


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