ARTus-Kolumne »SO GESEHEN« Nr. 478

Am 29.Juli 2010 wäre der Berliner Grafiker Arno Mohr einhundert Jahre geworden.

Arno Mohrs Bestseller Mein Lebenslauf mit dem klugen Nachwort von Lothar Lang kann man jetzt wieder ordern.

Pünktlich zum 100. Geburtstag des Künstlers hat es der Eulenspiegel Verlag Berlin als Neuauflage auf den Markt gebracht und so gesehen eine erstaunliche Treue bewiesen. Immerhin hat er dieses kleine Buch-Kunst-Ereignis seinen Lesern bereits 1969 in die Hände gelegt und 1982 eine zweite Auflage veranlasst.

Mein Exemplar gehört zur Kategorie »Erstausgabe«. Es trägt als Besonderheit den Stempel »Arbeitsexemplar« und ist als »Eigentum des Verlages« ausgewiesen. Auf was für Wege das Buch wohl in ein Antiquariat gelangte? Ich wüsste es zu gern! Wo genau ich es in Berlin erworben habe,- ich erinnere mich nicht mehr. Jedenfalls war der Fund ein willkommener Grund Arno Mohr höchst persönlich aufzusuchen. Ich hatte so viel von diesem uneitlen Professor im Ruhestand gehört.

Bis zum Jahr 1975 war er an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee als Lehrer für Naturstudium und druckgrafische Techniken tätig. Hier betreute er als Leiter die Grafik-Werkstatt. Es war jene Werkstatt, deren Grafikpressen er 29 Jahre lang liebevoll hegte und pflegte, in der ich ab 1976 meine ersten Gedichtbände druckte, legal und manchmal auch illegal. Ich war damals besessen vom Drucken und dieser Mann, ich spürte es beim Betrachten seiner Kaltnadelradierungen und Lithografien, hätte für mein Tun ein handwerklich kompetenter Anreger sein können. Schade, dass ich nicht mehr sein Schüler werden konnte. Dann verlor ich ihn aus den Augen. Ich wählte mir andere, scheinbar radikalere Lehrer außerhalb der Schule: C. E. Pauly, Dieter Goltzsche, Max Uhlig und… hatte genug mit deren Werkanregungen zu tun. Vergessen habe ich Arno Mohr trotzdem nicht.

1982 habe ich ihn in Berlin besucht und seitdem trägt mein Lebenslauf-Exemplar seine persönliche Widmung. Wir sprachen über eine Ausstellung seiner Werke in der Orangerie Putbus, dem damaligen künstlerischen Ausstellungszentrum Rügens, zu der es dann leider doch nicht mehr kam. Man sollte die alte Idee neu in Angriff nehmen und auch das nicht publizierte Blatt: „Das ist der Bürokrat!« ausstellen!

In Arno Mohrs Arbeiten kann man über der Kargheit seines Stils wieder zu einer fast vergessenen Art heiterer Gelassenheit finden, zu einer Welt, die heute leider viele aus Borniertheit oder Dämlichkeit glatt übersehen.

Mohrs Handschrift erinnert mich gelegentlich an den großen Zeichner Paul Holz, an radierte Erinnerungsblätter der Pauly, an die Berliner Welt von Werner Heldt, mitunter auch an Bildfindungen des Hallenser Malers Albert Ebert; immer aber an eine unmittelbar gesehene, auf schlüssige Metaphern reduzierte Wirklichkeit, die uns mit »wenigen Strichen… tief nachdenklich«(Horst Drescher) macht, wie ein Leben in Verantwortung und Phantasie aufgehen kann.

ARTus

Erscheint am Sonnabend in der Ostsee-Zeitung Rügen