Atom-Geist aus der Flasche
ARTus-Kolumne »SO GESEHEN« Nr. 621 • 4. Mai 2013
von Walter G. Goes (Bergen/Rügen)
In Stefan Heyms reichlich rosarotem, beim Lesen kaum noch erträglichen Buch-Bericht »das kosmische Zeitalter« von 1959 kommt der gern zitierte Passus vor: »Der Geist ist aus der Flasche heraus, und niemand kann ihn da wieder hineinpressen.« Wohl wahr.
Das eher harmlos zitierte Grimm`sche Märchenkonstrukt hat sich nach den Ereignissen in Tschernobyl und Fukushima zu einem grimmigen Horrorszenario gewandelt. So sehr, dass sogar gestandene Verharmlosungs-PolitikerInnen zur aktionistischen Umkehr im taktischen Handeln gezwungen wurden. Wer Dr. Sebastian Pflugbeils erkenntnisfulminanten Vortrag Auf der Suche nach der Wahrheit im Bergener Medieninformationszentrum miterleben konnte, der verlor wohl letzte Hoffnungen auf die Beherrschbarkeit der Atom-Geister, die man einst mit der Etikettierung grenzenlose Perspektiven feierte und die sich vom »Traum der Träume!« (Heym) immer mehr zum Albtraum der Tränen auswachsen.
Pflugbeil, 1947 in Bergen geboren, 1989 als Mitbegründer des Neuen Forums am Berliner Runden Tisch die gesellschaftliche Wende einfordernd und als Minister der Modrow-Regierung für die Abschaltung der DDR-Kernkraftwerke Sorge tragend, wartete mit beängstigenden Statistiken über die Auswirkungen der Reaktorkatastrophen auf, welche die fast vierzig Zuhörenden sprachlos machten.
Vor fast genau 60 Jahren, am 27. Mai 1953, ließ der 34. Präsident der USA, Dwight D. Eisenhower, intern verlauten: »Haltet sie im Unklaren über Kernspaltung und Kernfusion«.
Warum wohl? Aufklärung bedeutet Sprengstoff im Nachdenken und fordert das Umdenken im Handeln für alle Betroffenen. So gesehen bleibt das Nachdenken über den nicht zu bändigen Atom-Geist unerwünscht. Pflugbeil: »Wir werden bis heute belogen!« Und das von Wissenschaftlern und Politikern, die es besser wissen. Hinter ihnen stehen kriminelle Geschäftemacher!
Unfassbar, dass wir uns damit noch immer abfinden! ARTus