Becker erklärte uns die Kunst!
ARTus-Kolumne »SO GESEHEN« Nr. 632 • 28. September 2013
von Walter G. Goes (ARTus) • Bergen auf Rügen
Darauf musste Jürgen Becker ja mal kommen. Auf den Künstler. Immerhin absolvierte der Star-Kabarettist vom WDR in jungen Jahren eine Ausbildung zum grafischen Zeichner beim Duftwasserkonzern »4711« in Köln. Das ist Ewigkeiten her. Vergessen aber hat er die Dünste der Künste scheinbar nie. Was am 12. September auf der Bühne des Theaters in Putbus geboten wurde, das war ein mit allen Wassern der Kunstgeschichte gewaschener Rapport, mit kabarettistischen Einsprengseln ins Hier und Heute. Mutti Merkel und der gerade von den Wählern versenkte Philipp Rösler (als halbblinde Nofretete) fanden diesbezüglich Erwähnung.
Becker plauderte rheinisch locker darüber, was Kunst ist und was den Künstler ausmacht. Er parlierte über die begnadeten jungpaläolithischen No-Name-Künstler von Lascaux, über Baumeister unter den Römern, die sich nach Becker als formbildende Korinthen-Kacker für Nachfolgestile erwiesen hätten, bis hin zum Konzeptkünstler Marcel Duchamp, der ein Pissoirbecken zur Kunst adelte. Schlussfolgerung Becker: »Ich weiß nicht, was der Künstler für Drogen nimmt, aber es muss weniger werden.«
Das 1926 entstandene Meisterwerk des Surrealisten Max Ernst Die Jungfrau züchtigt das Jesuskind hatte Becker gleich in den Originalmaßen 169 x 130 cm mitgebracht. Als Kopie versteht sich. Zum Preis von 1.500 Euro. Das Geld hat Becker längst eingespielt. Max Ernst hätte sich über den surreal verfremdeten Becker-Titel »Maria versohlt Josef den Arsch« wohl genau so amüsiert, wie mein Künstlerkollege Hanns Studer, Glasmaler und Grafiker aus Neuendorf. Der strahlte in der Theaterpause wie das Bleiglasfenster im Südquerhaus des Kölner Doms. Das hatte der Furor der Avantgarde, Gerhard Richter (*1932), einer der teuersten lebenden Maler der Welt, Köln geschenkt und damit postwendend Munition für den Kölner Jürgen Becker geliefert. Von einem Kneipenfenster hat sich Richter inspirieren lassen! Wer hätte das gedacht… Becker hat’s gesehn und den bildlichen Beweis erbracht. Auch, wie er sein Publikum liebt. Er zeigte zum Schluss seines furiosen Auftritts einen leeren Rahmen, den wir als Zuschauer und Zuhörer für ihn ausfüllen würden. Wir Besucher geben das für ihn wertvollste Bild ab.
Wer wollte da mit Beifall geizen? ARTus