Berührungen

ARTus-Kolumne »So gesehen« Nr.555

Man sollte sich wieder erinnern, dass Kunst einen Zauber mit einfachsten Mitteln verbreiten kann.

Mit dem Wort, das in wenigen Sätzen eine ungeahnte Skala von Empfindungen ausschüttet, das erschüttert oder beglückt, das uns so gesehen innehalten lässt.

Mit dem weichen Graphitstift als Sondeur, der behutsam, zärtlich Fundobjekte abtastet, sich vortastet, um Geschichte noch in kleinsten Zeugnissen aufzunehmen und zu spiegeln. Mit Foto-Dokumentationen, die Ursprüngliches ausweisen und Spurensuche betreiben. Mit Offenbarungen, die sich aus der Originalität ausgewählter, erwählter Objekte ergeben, die sich als Strandgut des Lebens finden lassen. Man muss ihnen nur mit Aufmerksamkeit und wachen Sinnen begegnen wollen.

Kunst, so Hugo von Hoffmannsthal (1874–1929), einer der wichtigsten Repräsentanten der Wiener Moderne, hat etwas mit Denken, Träumen und Dichtung zu tun. Wer wollte das beim Anschauen der am Sonnabend zu eröffnenden Ausstellung in der Orangerie Putbus bestreiten. Karla Sachse, die auf dem Gebiet der Visuellen Poesie seit den 80er Jahren immer wieder durch unkonventionelle Beiträge aufmerken ließ, arbeitet interdisziplinär, baut Brücken zwischen den Genres, stellt originell zusammen, was das vielschichtige Leben in all seiner Individualität und so gesehen Kostbarkeit auszeichnet.

Unter dem Titel »Berührungen« werden unvoreingenommene, aufgeschlossene Betrachter Zeuge eines unter die Haut gehenden Fall-Beispiels. So also kann man Leben auch in Szene setzen, der Individualität würdig und nachvollziehbar Raum geben, das Bild einer Freundschaft zeichnen!

Bis in feinste Verästelungen hinein wird in dieser von der KulturStiftung Rügen und der Galerie des Landkreises geförderten, von der Künstlerin weitgehend selbst kuratierten Ausstellung den Auf- und Abbrüchen eines Lebensschicksals nachgegangen. In einzelnen Kabinetträumen ist man versucht den Atem anzuhalten, so fragil, so unmittelbar weht den Betrachter Lebensgeschichte an. Eine Lebensgeschichte als Hommage, die das Kürzel U.B. nachdrücklich ausfüllt und die für unvergessliche Momente zum Leben erweckt wird.

Karla Sachse will auf die ihr eigene poetische Art und Weise Zeugnis ablegen und fragt sich, fragt uns: »Wie tief kann ein Blick in das Sein eines anderen Menschen dringen? … Wie wird aus verschiedenen Blick-Winkeln ein Lebens-Bild?«

Die Antwort liefert diese Ausstellung, in der man sich noch bis in den März hinein beglückt und ohne Verlust verlieren kann, in der man Tiefe und Demut dem einzigartigen Leben gegenüber gewinnen kann. K.S. sei Dank! ARTus

Die Berliner Künstlerin Karla Sachse, *1950, richtet die erste Ausstellung der KulturStiftung Rügen des Jahres 2012 in der Orangerie Putbus aus. Zeichnung: ARTus