Bilder als Gegenwart
ARTus-Kolumne »SO GESEHEN« Nr. 527
Es sind immer nur ausgewählte Werkspuren, denen wir in Ausstellungen folgen können. Sie vermitteln uns das unter bestimmten Aspekten nach außen gestellte Bild einer Künstlerpersönlichkeit und können dem komplexen Schaffen in all seinen Verästelungen und Weiterungen, seinen Grenzerfahrungen, um die sich Künstler in ihrem Leben mühen, nie zur Gänze gerecht werden; wie auch?
So geht der Besucher einer Ausstellung, auch dieser bis Mitte August 2011 gezeigten, mit seinem Bild einer von Ausstellungsgebern und Ausstellungsmachern vorab sondierten Auswahl heim.
Wird man damit einem »abgeschlossenen« Werk gerecht? Denn Käthe Ebners künstlerisches Œuvre ist wie ihr Leben durch eine schreckliche Zäsur beendet worden, von einer Sekunde auf die andere. Mitten in der Arbeit ist die 1995 gerade mal 28jährige Künstlerin, die einige »zu den ganz großen künstlerischen Talenten ihrer Generation« zählen, aus dem Leben gerissen, auf einer Berliner Baustelle von einem Eisenträger erschlagen worden, der sich von einem Kranausleger gelöst hatte.
Man ist versucht an das Schicksal des am 1. Juni 1938 während eines Gewitters über Paris auf den Champs-Élysées von einem herabstürzenden Ast getöteten Dramatikers Ödon von Horváth zu denken und sieht betroffen auf die in einem Kabinettraum der Orangerie ausgestellten Kaltnadelradierungen und ganz besonders auf die im seitlichen Turmzimmer ausgestellten Ölbilder, in denen Käthe Ebner das Thema »Baustelle« thematisiert. Hier scheinen geradezu gleichnishaft dem Moloch Bau ihre beunruhigenden Menetekel-Bilder abgerungen.
Wohin hätte die Fortführung der Arbeit Käthe Ebner führen können, betrachtet man die in Putbus ausgestellten Facetten ihrer künstlerischen Ausbeute, die immer auf lustvolle Experimente angelegt war? Fragen, auf die nur spekulative Antworten möglich sind. Ihre als Unikat hergestellten, immer mehr ins große Format drängenden, auf alle zur Verfügung stehenden Papiere abgedruckten Holzschnitte, ausgestellt im großen Saal Zwei und einigen Kabinetträumen der Orangerie, sind von betörend fein ausbalancierter Farbigkeit und beeindruckend formaler Reduktion. Sie lassen schon denkbare Schlussfolgerungen zu. Letztlich aber verbleibt der Betrachter im Ungewissen über das Ziel dieses Weges, dem eine rege Phantasie als Motor beständig zur Seite stand. Bis zum abrupten Ende, das so gesehen keine Phantasie ausmalen konnte.
Vielleicht, es wäre wünschenswert, können Komplexe dieses heute im familiären Nachlass befindlichen Œuvres der Sammlung der KulturStiftung Rügen zugeführt werden, um künstlerische Wegmarkierungen von Käthe Ebner zu dokumentieren und sie immer mal wieder einer interessierten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. ARTus