Buch des Monats Dezember
ARTus-Kolumne »SO GESEHEN« Nr. 639 • 21. Dezember 2013
von Walter G. Goes (ARTus) • Bergen auf Rügen
Und noch ein Buch für den Gabentisch! Aber bitte, bitte nicht zum Weiterverschenken! Den 675-Seiten-Band über die Berliner Salonnière Henriette Herz, in einer auf 4444 Exemplaren begrenzten Auflage, fein in goldgelbfarbiges Leinen gebunden, mit rotem Lesebändchen und einer Vielzahl aufschlussreicher Porträts versehen, unter denen sich auch die Rüganer Arndt und Charlotte von Kathen finden lassen, sollte man sich selber schenken oder bei lieben Menschen als Wunsch in Auftrag geben.
Das Buch wurde gerade von der honorigen Darmstädter Jury zum Buch des Monats Dezember gewählt. Das macht neugierig. Und so blättere ich schon mal in meinem Band mit der Nummer 1033 und bin… entzückt. Ganz besonders über einen »Brief an die Freunde auf Rügen«.
Da schreibt die für ihren literarischen Salon in Berlin berühmt gewordene und so gesehen bis heute unvergessene, damals 43-jährige Henriette Herz, die man auf Rügen »die große Jette« nannte, am 18ten Oktober 1807 an die junge Witwe Henriette von Willich(die bald Schleiermacher heiraten wird) in Sagard: »Ich hoffe, dass Ihr, meine geliebten Freundinnen, meine Schwestern, die Briefe von Schleier(macher) und meinen kleinen erhalten habt… Wie unglückselig bevölkert war das stille Rügen, und wie ist es jetzt besetzt! Von welchen Menschen! Wenn ich mir Sagard denke, Euer stilles Haus, das Willische (nah der Brunnenaue), von Menschen bewohnt oder besucht, die nicht wert sind, von Eurer Existenz zu wissen, Menschen ohne Sinn und Gefühl für jedes bessere, für jedes wahre Gute. Der augenblickliche Genuss ist ihnen alles, über diesen hinaus kennen sie nichts, … mein Schicksal will es vielleicht, dass ich unter ihnen lebe…«
Tatsächlich wird Henriette Herz, in der Folge der französischen Besetzung und ausbleibender Witwenpensionszahlungen in Berlin, auf Rügen bei Freunden Quartier nehmen, um als Hauslehrerin für die Kinder der Familie von Kathen in Götemitz ihr Auskommen zu suchen und zu finden.
Ich werde mich zwischen den Feiertagen in diesem wiederentdeckten Meer der frühromantischen Herzensergießungen sehr gern aufhalten und, so nicht untergegangen, vielleicht sogar in Götemitz stranden. ARTus