Das Vilmpietraß

ARTus-Kolumne »So gesehen« Nr. 533

Nein, »ein bis zwei Valium-Tabletten zur Beruhigung« (Peter Böthig) brauchte ich wegen der Kontaktaufnahme mit Richard Pietraß nicht. Bammel hatte ich nur vor der Reaktion des namhaften Dichters auf das Angebot hin, mein Bücher-Iglu in Bergen könne für drei Nächte als Notquartier ausreichen. War das nicht eine Zumutung? Aber wie anders hätte ich ihm, der unbedingt am Vilmschwimmen 2011 teilnehmen wollte, auf die Schnelle helfen können?

Bewundernswert: Richard Pietraß war schon 2008 bis 2010 ein aktiv Beteiligter. Nun gelte es für ihn auch 2011 Präsenz zu zeigen. Es ginge ihm nicht um den Siegerlorbeer, da könne er sowieso nicht mithalten, aber um das Durchhalten auf vorgegebener Strecke schon. Auch würde seinem Körper das Schwimmen wenigstens bis Weihnachen gut tun. Pflegeleicht sei er auch und im eigenen Zuhause nicht minder von Büchertürmen umstellt. Er fühle sich da als Bruder im Geiste. Also abgemacht, dem Dichter meine Lagerstatt.

Wo aber hatte ich von seinem Faible für die Schwimmerei gelesen? Dann fiel es mir ein. In dem wunderschön gestalteten »Kiebitzbuch« über Richard Pietraß, in dem ich immer mal wieder genüsslich Lesefrüchte zutage fördere. Die Berliner Edition Zwiefach gab es 2009 heraus. Gekauft habe ich es anlässlich einer Pietraß-Lesung in Binz.

Im rückwärtigen Klappentext des Buches fand sich folgender Passus, so gesehen im freien Spiel der Gedanken: »Das Pietraß ist ein für seine Körperfülle erstaunlich guter Schwimmer, der sich nicht scheut, selbst im Herbst noch größere Strecken nordeuropäischer Meere zu durchqueren.«

Der Text kann sich nur auf das Vilmschwimmen bezogen haben! Vielleicht auf das Jubiläumsschwimmen 2008, an dem er teilgenommen hatte?

»Das Pietraß« jedenfalls holte mich gut gelaunt aus meiner doch eher trockenen Kunst-Welt zwei Tage vor dem 13. Vilmschwimmen in der Orangerie Putbus ab, wo es einen Ausstellungsaufbau abzurunden galt und freute sich über mein Reich an Land, das dem Meer lieber zwischen Bücherbergen Reverenz erweist als unterhalb von Wellenbergen.

Es gibt wunderbare Texte der Dichter über das Meer. Gedichte, die man am Strand verschlingen kann, ohne selbst von den Wellen verschlungen zu werden! »Der Tod der Liebenden« von Georg Heym gehört dazu. Pietraß hat es mir auf dem Berge in Bergen trockenen Fußes vorgetragen: »Durch hohe Tore wird das Meer gezogen / Und goldne Wolkensäulen, wo noch säumt / Der späte Tag am hellen Himmelsbogen / Und fern hinab des Meeres Weite träumt…« Danke Richard und bleibe Teilnehmer des Vilmschwimmens! Ich gebe auch 2012 Quartier. Falls mich die Bücher bis dahin nicht erschlagen haben. ARTus

Der in Berlin lebende Dichter Richard Pietraß nahm auch 2011 am Vilmschwimmen teil. Zeichnung: ARTus

Der in Berlin lebende Dichter Richard Pietraß nahm auch 2011 am Vilmschwimmen teil.Zeichnung: ARTus