Die dritte Nacht April – Schatten meines Herzens
Von Walter G. Goes (Bergen / Rügen)
Den Peter-Huchel-Preis für Lyrik, der seit 1984 jährlich vom Land Baden-Würtemberg vergeben wird, erhielt in dieser Woche die 30jährige Lyrikerin Nora Bossong.
Verliehen wird der renommierte Preis am 3. April eines jeden Jahres. An diesem Tag begehen wir den Geburtstag des Lyrikers Peter Huchel, des legendären Chefredakteurs der von Johannes R. Becher und Paul Wiegler gegründeten Akademie-Zeitschrift Sinn und Form.
War es ein Zufall, dass ich nur vier Tage zuvor im Lietzower Bücherbahnhof den lange gesuchten ersten Gedichtband Huchels aufspürte? So gesehen im »gerade neu geordneten Lyrikregal«, wie Frau Wolff als umsichtige Verkäuferin betonte. Nun liegt er in meiner Hand, der 100-Seiten-Pappband des Aufbau-Verlages. Gut schaut er noch aus, denke ich an das Erscheinungsjahr 1948! Wer mochte damals – in dieser Zeit! – das Buch gekauft haben? Erst jetzt lese ich die frühen Gedichte Huchels.
Auch sein Gedicht auf den eigenen Geburtstag, das er Die dritte Nacht April titelte und in dem es abschließend heißt: Der Schatten meines Herzens steht / im kalten Schatten vom April, / dem feldernden, der Lerchen weht, / und in den Bäumen leben will.
Wer mag heute noch, da überall die Säge kreischt, wo Bäume exorbitant in Geld-Gold verwandelt werden, den Bäumen Anwalt sein? Seine Aussagen traf Huchel in der poetischen Formatierung erlebter Augenblicke. Er war ein Einzelgänger als Dichter, der sich gegen offensichtliche Vereinnahmungen sperrte. Er wusste aber auch Brücken zu bauen im kalten Wind des Kalten Krieges. Sein integres Wirken brachte ihm grenzüberschreitend Anerkennung und in der DDR viel Argwohn ein. Die Folge: 1962 ein erzwungener Rücktritt vom Redakteurposten und anschließend neun(!) Jahre staatlich verordnete Isolation. Erst 1971 konnte Peter Huchel sein Haus in Wilhelmshorst bei Potsdam westwärts verlassen.
Der Huchel-Preisträger 1987 Wulf Kirsten: »Ihm ist großes Unrecht widerfahren, das die verflossene Zeit nicht abgewaschen hat.«
Man lese Huchel still. Nicht nur im kalten Schatten vom April… ARTus