Die Rostocker Bürgerschaft feuert ihren Intendanten, weil er ihnen zu gut ist

Zuvor noch eine Erklärung für alle Ignoranten deutscher Kultur: Das Rostocker Theater gehört zu den sogenannten Vierspartentheatern. Einer Institution, die unter Denkmalschutz gestellt gehört. Oper, Ballett, Schauspiel und vieler Orten auch Puppenspiel – da ergänzen sich gegenseitig die einzelnen Sparten.

Das sollte nun laut den Politikern ein Ende haben. Wer einmal Intendant war, wird mir bestätigen können, dass man nicht gerade tagtäglich mit Leuten umgeht, mit denen man gerne zu tun hat. Leute in staubigen Amtsstuben, die irgendwie mit Kultur und dem Geld zu tun haben, das wir Theaterleute ausgeben müssen.

Ich sehe sie da richtig vor mir, wie sie im Rostocker Rathaus sitzen und ihre Köpfe zusammenstecken. Jetzt haben sie da diesen störrischen Glatzkopf engagiert, und der ist jetzt nicht das, was sie sich, was eigentlich fast alle Kulturbonzen sich wünschen. Kein stiller fleißiger Arbeitsintendant, der die Budgets und die Entscheidungen der „Bürgerschaft“ abnickt und sich im Übrigen immer nett und anständig verhält, auch im Umgang mit der Presse. Nein, Sewan ist so einer nicht. Es gilt ihn loszuwerden. Aber wie?

Und nun fällt ihnen dieser Glücksfall zu. Sewan bietet selbst sich dar, in Neustrelitz. Auf der Welle des in solchen Situationen nicht ausbleibenden Pathos‘. Er lässt sich von seiner Wut fort- und zu Vergleichen hinreißen, die der Bürgerschaft und den Politikheinis von Rostock ein probates Entlassungsmittel in die Hände spielen. Er meint, die Reduzierung des Rostocker Theaters vom Viersparten- in zum Zweispartenhaus sei ein barbarischer Akt. Er vergleicht ihn mit der Götzenvernichtung der IS-Milizen. So etwas darf man also nicht sagen. Da hört die Meinungsfreiheit also schon auf.

Also in Rostock darf man die Kulturpolitik nicht mit den Kulturbarbareien des IS vergleichen. Gut. Aber trotzdem soll ein Theater, ein zudem auch noch traditionelles Haus, in seinen bisherigen Strukturen verändert, reduziert, beschnitten werden. Nun ja, das ist mutwillige Zerstörung und steht, wie ich höre, der vertraglichen Vereinbarung zwischen der Stadt Rostock und Sewan Latchinian entgegen, der, wie man sich erzählt, gute Arbeit dort leistet. Die Bürger der Stadt, (wohlgemerkt: nicht die Bürgerschaft) interessieren sich wieder für das Theater, weil dort offensichtlich einer ist, der sich auch für das Theater interessiert. Er ist nicht bedächtig, nicht vernünftig, er ist parteilos und konsequent, er will das Gesicht des Hauses prägen. Aber das fällt unangenehm auf.

(…)

Hier wird ein Vierspartenhaus geschleift, Kultur soll mutwillig und frech vor den Augen der Öffentlichkeit zertrümmert werden. Ich weiß nicht, womit man das noch vergleichen soll. Mit der Sprengung des Berliner Schlosses? Mit dem Abriss des Palastes der Republik? Man könnte aus Uhlands „Des Sängers Fluch“ zitieren: „Nur eine hohe Säule zeugt von vergangener Pracht/ Auch diese, schon geborsten, kann stürzen über Nacht./ Des Königs Namen meldet kein Lied, kein Heldenbuch/ versunken und vergessen, das ist des Sängers Fluch.“

Na, denn man tau, Rostock.

Leander Haussmann, Die Welt