Ein Bücherfund
ARTus-Kolumne »SO GESEHEN« Nr. 649 • 10. Mai 2014
von Walter G. Goes (ARTus) • Bergen auf Rügen
Ein Ausflug zum 1. Bücherhotel Deutschlands ins idyllisch gelegene Dorf Groß Breesen, das im Norden der Mecklenburgischen Seenplatte liegt, nah bei Krakow am See, sei auch für alle Bücherfreunde empfohlen.
Dort, im Areal des Gutshotels, kann man sich lustvoll gründelnd in ein erstaunliches Büchermeer versenken und die Animositäten heimischen Eingebundenseins gründlich vergessen. Jedes Zimmer, jeder Flur, jeder Keller ist mit Büchern versehen. Der Zuordnungssinn erschließt sich allerdings beim besten Willen nicht. Wie auch. Gäste kommen mit ihren ausgelesen Büchern, wollen sie nicht mehr aufheben, aber auch nicht wegschmeißen und legen sie nun ab in Kisten, Koffern und Kartons, manchmal auch lose auf den Boden, auf Tische, Fensterbänke und Nachttischchen. Sie schieben sie in schon übervolle Regale, oder verfrachten sie zu den wild durcheinander gestapelten Büchertürmen der um die 300.000 Bände umfassenden, nie wirklich ganz zu durchstöbernden Scheune und spielen Schatzsucher, vom Virus der vorgefundenen Altbestände angesteckt. Gib zehn Bücher hin und du kannst mit fünf Büchern wieder losziehen, so die Regel, die sich proportional aufrechnen lässt.
In meiner jüngsten Ausbeute fanden sich Wolfgang Rudolphs Erstling Kutterbrigade Deutschland von 1953, eine 10bändige Tucholsky-Werkausgabe, Celanders frivole Verliebt-galante Gedichte, die Horst Hussel(!) illustrierte, Stefan Zweigs Kaltblüter-Porträt Joseph Fouché in einer Ausgabe von 1989, dem Jahr des Rückblicks auf die Französische Revolution, die ich damals mit einer Grafikmappe über die von mir favorisierten Heißblüter Robespierre, Marat, Saint-Just und Desmoulin zu ehren gedachte.
Zuletzt fand sich von Volker Braun der Band Training des aufrechten Gangs, den wir 1989 mühsam erhobenen Hauptes gerade übten. Im Gedicht Statut meiner Dauer spricht Braun vom »Aufatmen bei der Ankunft / Der Wahrheit«. Um die geht es Braun als von der Wahrheit Getriebener, als Wahrheit Suchender. Er, der Unbequeme, mischt sich bis heute mit Büchern ein, die unser Nach-Denken bewegen.
Gratulation! Reimt sich erstaunlich auf Revolution. Auch auf Detonation. Ich bitte um Absolution! ARTus