Eine Weihnachtsgabe
ARTus-Kolumne »SO GESEHEN« Nr. 496
Post aus Berlin. Ein Buch vom Aufbau Verlag, den es noch gibt, wenn auch immer mal wieder in neuer Besitz-Konstellation. Schon lange nicht mehr am Hackeschen Markt beheimatet, jetzt in der Kreuzberger Lindenstraße und bald, es klingt gut, im Zentrum für Kreative, am Kreuzberger Moritzplatz.
Vor 28 Jahren erhielt ich vom Verlag ein kleines literarisches Meisterwerk des großen kolumbianischen Schriftstellers Márquez, für das ich den Einband und den Schutzumschlag künstlerisch gestalten durfte. Ich war unendlich stolz und hatte mich redlich bemüht, diesem Band Weltliteratur ein unverwechselbares Gesicht zu geben. Der Roman »Chronik eines angekündigten Todes« erschien in der DDR im Jahr der Verleihung des Literatur-Nobelpreises an Márquez 1982(!), nach der Kölner Kiepenheuer & Witsch-Ausgabe von 1981.
Der Aufbau Verlag und seine mutigen Mitstreiter hatten nach den frühen Ausgaben von Hemingway, Sartre und Proust wieder mal Gespür und Geschick bewiesen in der vom Dirigismus übermantelten DDR-Realität. Was ich jetzt, so kurz vor Weihnachten 2010, in Händen halte, ist nicht minder mit Gespür für das Besondere auf den kaum noch überschaubaren deutschen Buchmarkt gebracht: Lieder und Gedichte des Mimen Armin Mueller-Stahl, der am 17. Dezember seinen 80. Geburtstag beging.
Der vorbildlich gedruckte und gebundene Band aus der Offizin Andersen Nexö Leipzig, versehen mit 68 Bildern und Zeichnungen seiner Hand sowie einer inliegenden CD: »Es gibt Tage…«, auf der man ihn und Günther Fischer (Tenorsaxophon und Klavier) sowie Tobias Morgenstern (Akkordeon) auch hören kann, ist so gesehen, gehört und gelesen ein Juwel, besonders der Übermalungen wegen.
Ich plädiere für dieses literarisch-musikalisch-bildnerische Ereignis als Weihnachtsgabe. Man wird staunen, was Armin Mueller-Stahl, den wir aus Filmen zu kennen meinen, uns genreübergreifend im Buch liefert und was er dem Schriftstellerkollegen Holger Teschke mitzuteilen wusste, der ihn am 7. März 2010 im Schleswig-Holsteinischen Sierksdorf ausführlich und klug nach der Vielfalt seiner Antriebe und Umtriebe ausfragte.
Ob ihn, so Teschke am Schluss, die Wut über das Unrecht in der Welt auch die Stimme heiser mache, wie Brecht einmal schrieb? Mueller-Stahl darauf: »Viele dieser Gedichte sind zu Bildern entstanden, an denen ich damals, gegen Ende der neunziger Jahre, gearbeitet habe. Die brutalen Kriege in Afghanistan und im Irak, bei denen Bomben auf eine wehrlose Zivilbevölkerung geworfen werden und sich die Politiker hinterher im Fernsehen mit ein paar Betroffenheitsfloskeln herausreden. Ich sehe, wie die Charaktermissgeburten sich auf allen Ebenen von Politik und Wirtschaft immer breiter machen, und ich kann dazu nicht schweigen, bis heute nicht…«
Das möge er weiter so halten, wünscht sich und uns ins Nachdenken ARTus.