Gedicht
Oskar Kanehl
Am Strande
Wir liegen nackt und lassen uns besonnen.
Durch einen Mückenschwarm, wie feines Maschennetz gesponnen,
Flutet auf uns der Blendstrom alles Sonnenlichts
und drückt die Augen zu. Wir wollen nichts,
wir lassen das Gehirn uns kochen,
weil wir gehungert haben, lange Wo c h e n .
Vom stillen Meer her, eintönig wie Gebet,
kommt Kühle fächelnd leiser Wind geweht.
Und neben uns liegt Zarathustra, ungelesen;
Wir lesen nicht, wir Überm e n s c h e n w e s e n ,
und fassen Leben mit der vollen Hand.
Wir denken nichts, wir fühlen nur:
Wir sind ein Stück Natur
und nichts als Leiber auf dem heißen Sand.
Aus:
Oskar Kanehl, Und neben uns liegt Zarathustra, ungelesen. Frühe Gedichte. In: Pommersches Jahrbuch für Literatur 1. Greifswald: Wiecker Bote 2001. (ISBN 3 – 9 3 5 4 5 8 – 0 4 – 5)*
Erstdruck: Die Aktion 27/ 1913, Sp. 654. – Auch in: Wiecker Bote 1/ 1913, S. 15
*) Das Pommersche Jahrbuch für Literatur erscheint seit Band 2 im Verlag Peter Lang. Band 3 erscheint im Herbst 2010, Band 4 2011.