Grammatik in Vorpommern

Ein kleiner Ausflug ins ländliche Vorpommern bescherte uns gestern die Drohung eines Bauern – grammatisch anspruchsvoll in doppeltem Konjunktiv: „Ich würde Ihnen die Frontscheibe einschlagen, wenn ich Sie beim Klauen erwischen würde!“ Er hielt uns für Maisdiebe, weil wir auf dem Feldweg parkten, um Blumen zu pflücken. Eine filmreife Szene: ein Jeep kam uns entgegen – wir stiegen ein und fuhren ein Stück zurück, um ihn vorbeizulassen – er fuhr ganz dicht an uns vorbei und stierte in unsere Scheibe – wir fuhren dann los und sahen, daß er nicht weiterfuhr, sondern stehenblieb – dann begann er uns nachzufahren – machte einen weiten Bogen um uns – überholte uns auf seinem Feld – fuhr dann vor uns auf die Straße an einer Stelle, wo kein Ausweichen war und stellte sich quer. Ging dann aber doch nach kurzem Wortwechsel ohne Gewalt von dannen.

Eigentlich hatten wir eines Steinhaufens wegen angehalten. Tatsächlich fanden wir zwei schöne Platten mit Muschelabdrücken, vermutlich so 58 Millionen Jahre altes sogenanntes „aschgraues Paläozängestein“.

Wir retteten uns dann auf die Landstraße ins nächste Dorf: Görmin. Da gibts eine alte Kirche mit Feldsteinchor (13. Jh.), Backsteinsaal (14.) und gemischt Feldstein- und Backsteinturm (15. / 19. Jh). Auf dem Friedhof ein Gedenkstein, der uns auf die Grammatik zurückbringt. Vermutlich wurde die Inschrift des „Heldengedenksteins“ in DDR-Zeiten entfernt und in den vergangenen Jahren neu aufgebracht. Der alte Text mit dem historischen Genitiv („Wir gedenken unserer Gefallenen“) wurde um die neuere politisch als korrekt erachtete Leerformel ergänzt, aber da kein Genitiv mehr da war, nun mit Dativ: „und allen Opfern von Krieg und Gewalt“.

Heute lesen wir in der Berliner Morgenpost (Freitag der 13. August): „Berlin gedenkt den Opfern des Mauerbaus „. Der Genitiv ist ausgegangen, nicht nur im Vorpommerschen.

Fazit: die deutsche Grammatik ist nicht heil, aber im Pommerland immer noch etwas heiler als in Berlin.