Gustav von Wolffradt – vergessen?
ARTus-Kolumne »SO GESEHEN« 605 • 12. Januar 2013
von Walter G. Goes (Bergen/Rügen)
Nur ganz wenige historisch interessierte Rüganer kennen Gustav Anton von Wolffradt. Warum auch? Haben wir nicht wichtigere Themen, als wir sie beim Herumstochern in unserer Uraltgeschichte ausfindig machen?
Ich würde allerdings seine Geschichte und sein Verbleiben in unserer Geschichte dem sich im wilden Aktionismus gefallenden Landrat Drescher zum Studium anempfehlen.
Die rasant wachsenden Hecken auf der Bergener Familiengruft derer zu Wolffradt würden sich für Dreschers ins Auge gefasste Pflanzaktion bestens eignen. Die wild ausufernden Flieder-Schösslinge würden viel Material für das von ihm geplante Verhüllungsevent am leidigen Bretterzaun der B96n liefern.
Die Gruft auf dem Alten Bergener Friedhof verwahrt immerhin auch einen der Vorgänger Dreschers, den Vater von Gustav Anton, den langjährigen Landvogt von Rügen, Carl Gustav von Wolffradt (1717 – 1794). Die größten Efeu-Triebe sind mit der locker erreichten 2-Meter-Marke wahrlich unschlagbar für jeden Schnellwuchspflanzensucher und… sie bilden quasi eine lebendige Anschauung dessen, was Pflanzen auch ermöglichen: peinlich Unliebsames zu verdecken. Der Zaun an der B96n mit seinen nervenden Sprüchen ließe sich damit in ein naturnahes Pseudo-Paradies umwandeln. Als Zugabe, wenn das Geld reicht, empfehle ich im Halbmeterabstand das Anbringen von Kuckucksuhren, damit alle touristischen Neuankömmlinge auch ja wissen, für wen auf Rügen die Stunde schlägt.
Carl Gustav und Gustav Anton ficht das nicht mehr an. Von Wolffradt jun., der immerhin in Bergen geboren wurde und hier mit 71 Jahren starb, der auf dem Festland im politischen Personalkarussel seiner Zeit blitzartig aufstieg, 1809 sogar zum Innenminister(!) Westfalens avancierte,- ihn mochten bei seiner Rückkehr die Bergener wegen seiner Franzosenfreundlichkeit nicht. Als er seinen Ministerpurpurmantel der verarmten Bergener Kirche anbot, wies Präpositus Droysen das Geschenk zurück: »Geraubte Sachen wolle er nicht in der Kirche haben.«
Die Worte müssen bis heute nachwirken. Sein noch existierendes Haus am Bergener Markt sieht fast so trostlos aus wie die Bergener Familiengruft. Man möge umgehend Hand anlegen an Gruft und Haus, aber den Bretterzaun bei Samtens lassen, was er ist: ein Menetekel für politisch Kurzsichtige! ARTus