Hanns Studer & Trakl

ARTus-Kolumne »SO GESEHEN« Nr. 503

Was sind sie, die Dichter? Für Percy Bysshe Shelley (1792 – 1822) sind sie »die Priester einer nicht begriffenen Inspiration, die Spiegel gigantischer Schatten, die die Zukunft auf die Gegenwart wirft«.

Einen, der sich den Schattenwürfen namhafter Dichter in seiner Arbeit über Jahrzehnte hin stellte, der sich als herausragender, weil originärer Illustrator von Dichtungen auswies, traf ich dieser Woche in seinem bewusst gewählten Altersdomizil, in Neuendorf bei Putbus. Keineswegs zufällig, denn natürlich hatte ich vom Ankerwerfen Hanns Studers hier auf Rügen gehört, als eines Künstlers, der Jahrzehnte zuvor in der Schweiz als Holzschneider und Glasmaler verortet war.

Wenn ich mich recht erinnere, hatte allerdings mein Berliner Mentor und Grenzüberschreiter in Sachen Bibliophilie, der namhafte Grafiker Werner Klemke von ihm gesprochen. Gelegentlich sah man Illustrationen Hanns Studers in Grafikeditionen. Man hätte sie wohl auch erwerben können. Ich konnte nicht, blieb aber neugierig.

Wie oft im Leben bedurfte es einer kleinen Fügung, die man später so gern schicksalhaft nennt. Die überaus sehenswerte, im Oktober 2010 zusammengestellte, kürzlich beendete Kabinettausstellung mit Werken Hanns Studers im Arndt-Geburtshaus brachte die Initialzündung. Sie überraschte mit beispielhaften Farbholzschnitten zu Werken der Weltliteratur, leider aber nicht – wie angekündigt – mit einem Beitrag zu einer Trakl-Dichtung. Ob man diesen gelegentlich, womöglich an anderer Stelle in Augenschein nehmen dürfe? So in etwa fragte ich die couragierte, umsichtige Gestalterin des Projektes, die sich als Frau von Hanns Studer zu erkennen gab. Bereitwillig gab sie mir Adresse und Telefonnummer. Ich solle anrufen, wann immer es mir passe.

Nun, endlich, passte es. Vorsorglich im Gepäck »meinen« Trakl, mit meinen frühen Illustrationen zum Gedicht »Verfall«, war ich so gesehen mehr als gespannt auf »seinen« Trakl.

Er habe, so Hanns Studer, die Beschäftigung mit dem Dichter Georg Trakl (1887 – 1914) einem Freund zu danken. Dieser schickte ihm als Kopie das Gedicht »Gesang des Abgeschiedenen«. Es sollte ihn über zehn lange Jahre nicht mehr los lassen, ihn in Schüben immer wieder beschäftigen und letztlich in einem Projekt münden, das in der legendären »The Baer Press« in sieben Farbholzschnitten einer vierziger Auflage erschien. Eine Kostbarkeit, der wir nun beide »in der beseelten Bläue der Nacht« nachspürten, Blatt um Blatt, Wort für Wort.

Wie schnell die Zeit im Betrachten, Erzählen und Vorlesen verging… Ich meine mich nicht zu täuschen: ich war voll tiefer Dankbarkeit im (nach Trakl) »stille(n) Haus«, wo »Maß und Gesetz und die mondenen Pfade der Abgeschiedenen« ihr behütetes Zuhause gefunden haben. Dank Hanns und VIVA als Gruß! ARTus

 

Der Holzschneider und Glasmaler Hanns Studer, geboren 1920 in Basel, ist auf Rügen angekommen. Zeichnung: ARTus