Hausmale, Wundmale, Merkmale!
ARTus-Kolumne »SO GESEHEN« 581
Von Walter G. Goes (Bergen/Rügen)
Private Sammlungen von DDR-Grafik in der alten BRD hat es lange vor der Implosion der DDR gegeben. Ich erinnere an den grandiosen Sammlungsbestand der Hamburger Carin und Carl Vogel, in dem auch ausgewählte, zumeist unbotmäßig agierende Künstler der DDR ihren bedeutsamen Platz hatten, für einige Nachwendejahre sogar in Prora auf Rügen.
Dann wäre der Kunstsammler Peter Ludwig zu nennen. Er gründete in den 80er Jahren ein viel bestauntes »Ludwig Institut für Kunst der DDR«, das sich seit 1983 in Oberhausen etablierte.
Auf den Westberliner Sammler Wolfgang Schreiner bin ich durch Kataloge gestoßen. Er sammelte speziell Druckgrafik der DDR und hier auch Künstler, die keineswegs immer im Fokus der DDR-Kunst standen. In seinem mehr als 1000 Grafiken umfassenden Sammlungsbestand konnte man neben Gerhard Altenbourg und Carlfriedrich Claus auch viele Arbeiten der in Bergen auf Rügen schaffenden Anneliese Hoge entdecken, oder aber den damals in Berlin ansässigen Grafiker Klaus Magnus, der mir durch seine Radierfolgen Altberliner Häuser auffiel und das nachhaltig, weil ich in einem dieser zum Modell erkorenen Häuser lebte. Er zeichnete und radierte alte Häuserwände als still wuchernde Wundmale: unprätentiös, keineswegs vordergründig anklägerisch. So gesehen fast zärtlich, liebevoll, mit einem Hauch von Wehmut.
War das eine sich selbst auferlegte Verantwortlichkeit um die Einlösung von Zustandsbeschreibungen des gerade noch Existierenden? Morgen schon könnte ja mit dem anhaltend bröselnden Putz der nur noch erahnbare Glanz der Häuserfassaden verblichen sein. Nichts von der Schönheit bliebe. Wäre da nicht er, der Künstler Klaus Magnus.
Magnus, ein Schüler von Max Schwimmer und Hans Theo Richter in Dresden, hat die Wunden der Kriege, die Auswirkungen gesellschaftlicher K(r)ämpfe um klamme Kassen in all den DDR-Jahren Strich um Strich in die Platte radiert, auf den Stein gezeichnet… und damit Merkmale der Zeit künstlerisch empfindsam verortet. Grafiken als Zeitzeichen. Die Blätter belegen es eindrucksvoll.
Angelika Mertmann zählt Klaus Magnus im Katalog Ausschnitt, herausgegeben vom Bezirksamt Neukölln 1986, zu den Vertretern einer »Grafik mit stillem, sehr persönlichem Empfindungs- und Erlebnisgehalt.«
Dem mag ich auch nach über 25 Jahren gern zustimmen. ARTus