Heartfield: Monteur der Wirklichkeit

ARTus-Kolumne »SO GESEHEN« Nr. 678 • 20. Juni 2015

von Walter G. Goes (ARTus) • Bergen auf Rügen

Am 2. Februar 1932 bringt es Kurt Tucholsky alias Peter Panter in Die Weltbühne auf den Punkt: »Dieser John Heartfield ist wirklich ein kleines Weltwunder. Was fällt ihm alles ein! Was macht er für bezaubernde Dinge. Eine seiner Fotomontagen habe ich mir rahmen lassen, und aufbewahren möchte man sich beinah alle.«

Tucholsky meinte die Bild-Titel einiger von Heartfield gestalterisch betreuten Zeitschriften, ganz besonders aber die Buchumschläge des Malik-Verlages, denen er sich sogar anverwandeln würde, wenn er nicht Peter Panter wäre…

Ich besitze einige wenige Heartfield-Umschläge, die heute noch seltener sind als die Bücher, die sie schützen, für die sie werben sollten. Sie entgingen nur durch Zufall der braunen Diktatur, den Bibliothekssäuberungen, den Bücherverbrennungen, den Hausdurchsuchungen. Sie sind Raritäten, die immer noch den kritischen Zeitgeist der Weimarer Zeit atmen und werden wohl nie veralten.

Sie boten so gesehen zuvor noch nie Gesehenes, fügten dialektisch und unkonventionell zusammen, was den Geist der Buchinhalte ausmachte und zum Klingen brachte.

Die Zeitbezüge in den Heartfield-Arbeiten sind bis heute offensichtlich. Sie entlarven die Mächtigen, die Brandstifter und Dunkelmänner, die so gern in Hinterzimmern ihre Geschäfte abwickeln und Märchenstunden in der Öffentlichkeit abhalten.

Die wohl beste Wesensanalyse des Fotomonteurs Heartfield, die auch mit einer trefflichen Aussage seiner künstlerischen Art aufwartet, lieferte Elias Canetti 1980. Der Literatur-Nobelpreisträger von 1981 beschreibt in seinem Band Die Fackel im Ohr einen Berlin-Aufenthalt von 1928, ein Treffen mit Heartfield: »Heartfield… konnte nur aggressiv lernen und ich glaube, es ließe sich zeigen, dass das auch das Geheimnis seiner Montagen ist. Er brachte zusammen, er konfrontierte, woran er erst hochgesprungen war, und die Spannung dieser Sprünge ist in seinen Montagen erhalten.«

Ich kenne einige Nachfolger Heartfields. Letztlich blieb er doch unerreicht. Ein Solitär. Ein Stern, der bis heute (er)leuchtet. ARTus

In Erinnerung an John Heartfield (*19.6.1891). Zeichnung: ARTus
In Erinnerung an John Heartfield (*19.6.1891).
Zeichnung: ARTus