Impulse leben
ARTus-Kolumne »So gesehen« Nr. 537
Vor fünf Jahren schloss ich meine erste Inga-Carrière-Kolumne mit den Sätzen: »Und die Kunst? Sie gehört auch zum Leben der Inga Carrière. Darüber aber später einmal.«
Über dieses »später einmal« sind nun fünf lange Jahre ins Land gegangen und immer wieder sind aufregende, anregende Ausstellungsbeteiligungen der Künstlerin zu verzeichnen gewesen, die seit Jahren wichtige künstlerische Akzente in Gruppenausstellungen auf Rügen zu setzen verstand. Spektakulär war so gesehen Inga Carrières Rügen-Einstand im Jahr 2006, nachzulesen im Katalog der Ausstellung InselWerke I, herausgegeben vom Förderverein Kap Arkona e.V., Gemeinde Putgarten. In Erinnerung geblieben ist mir ihre unter der lichten Kuppel des alten Peilturms platzierte Meereswelle aus Seidenpapier und Drahtgewebe, die sich unmerklich sanft zur Wolkenwelle wandelte. Eine wunderbares Zusammenspiel des Impulsgebers Natur mit der sensiblen Sicht einer Künstlerin, die sich offenen Auges gern inspirieren lässt; der es immer wieder um Annäherung und Sichtbarmachen von »hellen Gedanken« geht, »die, in Morgenstunden oder wann die Sonne sich neigt, wie lichte Schwäne durch den blauen Wellenplan der Seele ziehn, als Verheißungen des höchsten Glücks in ihrer edlen Bildung Offenbarungen…« (Christian Morgenstern).
Womöglich geht es Inga Carrière immer um Offenbarungen innerer Zustände, deren künstlerische Inszenierungen mit Versatzstücken gelebter, feinfühlig erfahrener, auch erlittener Geschichte. Sie erweisen sich in den besten Arbeiten als beeindruckend suggestive Bild-Metaphern.
Seit dem 4. Juni und noch bis zum 31. Oktober 2011 sind u.a. Arbeiten von ihr im alten, nun von der Kunst in die Gegenwart transformierten Hotel am Kap Arkona vom Entrée bis zum Dachstuhl zu sehen, richtiger: zu erleben. Die Papierobjekte Inga Carrières sind ja in der Regel nicht statisch in Szene gesetzt. Sie lassen sich auf unterschiedlichste, oft morbide Interieurs ein, auf die Erweckung gestundeter Räume, Zimmer, Flure,- verwandeln sie, konterkarieren sie, fungieren in ihnen als wundersame Mobiles, als sanftes Ein- und Ausatmen, als magischer Part, der lange, lange nachzuwirken versteht. Keineswegs überbordend werden die Anregerväter Steiner, Novalis, Gandhi und Beuys zitiert und… ein Traum, den Inga Carrière 1998, damals noch Sozialtherapeutin in Kransdorf, träumte, den sie aufschrieb und der nun endlich auf Arkona beglückend Gestalt annahm: »DIE KLAHRHEIT DES GEDANKENS – SELBST ANGEWURZELT – IST GOTTES KÜHNES HAUS.«
Daran kann sich halten, wer will. Loszulassen gilt es. Auf das man sich – beispielhaft angeregt – selber findet. ARTus