»Mein Rügen«

ARTus-Kolumne »SO GESEHEN« Nr. 488

Ich werde nicht müde, dieses Buch »Mein Rügen« zu preisen. Und sei es nur des einen Satzes wegen, der von der Vorliebe für den unendlichen Horizont spricht, der mich auf Rügen bleiben und Kunst schaffen ließ.

Die in der alten Hansestadt Stralsund an einem stürmischen Herbsttag 1971 zur Welt gekommene Claudia Rusch hat es zu Papier gebracht, unter eine die Insel Rügen immer noch attraktiv findende Leserschaft. Dem mareverlag Hamburg sei Dank, dass er Claudia Rusch für sein maritimes Programm entdeckte und frühe Erinnerungen an Kindheit und Jugend bei der Autorin weckte. Sie musste ja „nur“ ihr Leben auf Rügen, besonders auf Wittow, abrufen und munter drauflos schreiben. Aber wie sie das tut!

Als mich Petra Dittrich, Inhaberin des Gingster Buchladens anrief, ob ich den Vorleseabend moderieren könnte, sagte ich spontan zu. Ich hatte die Autorin schon Ende Mai 2010 in Lohme erlebt. Ihre spektakuläre Buch-Premiere von »Mein Rügen« war so gesehen noch lange nicht verblasst und ich… von stund an ein Verzauberter. Was sollte in Gingst »moderiert« werden? Claudia Rusch beherrscht bei jedem ihrer Auftritte die Szene, kommt aus dem Stand rasant in Fahrt, spielt augenblicklich Schnellzug, der, wenn überhaupt, nur per Notbremsung gestoppt werden kann. Ich sah schon vorab meinen geruhsamen Logenplatz ganz in ihrer Nähe und sollte recht behalten!

Das Buch ist eine einzige Liebeserklärung und umschifft, welch Wunder, alle sonst üblichen Peinlichkeiten des Genres. Eine Hommage an Rügen und an das Meer (Heine zitierend: »Sei mir gegrüßt, du ewiges Meer! / Wie Sprache der Heimat rauscht mir dein Wasser, / Wie Träume der Kindheit seh ich es flimmern… « Claudia Rusch meint selbstredend die Ostsee und: »Mein Rügen«, ihr Rügen natürlich, ganz besonders Wittow und die Strände Jasmunds, wo sie ungebremst Kind sein durfte. Mit großen, auch heute noch wachen Kinderaugen entdeckt sie »unser« Rügen, auch jenes, das ihr nicht in die Wiege gelegt wurde: »Es gibt sehr viele Orte auf Rügen, an denen ich nie war.« Das Erstaunliche: man merkt es nicht!

Allen Teilen der Insel spendet sie Trost: »Rügen ist überall am schönsten. Weil Rügen überall anders ist.«

Dass manche Orte Rügens auch nachteilig anders wurden durch Menschenhand, im Wahn des schnellen Profits mutierten, fehlt mir mitunter. Glowe hat längst seine »maritime Niedlichkeit« verloren und Binz wartet leider nicht nur mit dem rührend kleinen Müther-Ufo auf.

Einmal ist Claudia Rusch mit der Marco Polo im Uhrzeigersinn um die ganze Insel geschippert. Ihr Fazit: »Das war auch sehr schön« und hat offenbar für manchen Satz gereicht. Zehn Stunden soll die Tour gedauert haben.

Für die Lektüre ihres Buches sollte man sich mehr Zeit nehmen. Es liest sich leider, leider zu schnell. Und das hat es nun gar nicht verdient! ARTus

Die Berliner Autorin Claudia Rusch, geboren 1971, las kürzlich aus ihrem 2010 erschienenen Rügenbuch in Gingst. Zeichnung: ARTus