Paul Holz – Zeichnen als Hingabe
ARTus-Kolumne »SO GESEHEN« 606 • 19. Januar 2013
von Walter G. Goes (Bergen/Rügen)
Ich glaube, dass es Sternstunden im Leben eines jeden Menschen gibt. Stunden, die er nicht vergessen kann, so elementar haben sie sein Denken und Fühlen erobert.
Einige wenige könnte auch ich aufzählen. Die mir wichtigsten, die sonderbarsten rufe ich immer dann ab, wenn das Leben wieder mal Achterbahn spielt, wenn Ignoranz, Dummheit und Gier die Oberhand im Alltag zu gewinnen drohen, bis sich das Karussell wieder dreht…
Mit 21 Jahren lernte ich in Leipzig den Maler Hans Schulze (1904-1982) kennen. In seinem Atelier zeigte mir der ehemalige Schüler von Otto Mueller, Oskar Moll und Alexander Kanoldt auch Arbeiten eines weiteren Lehrers an der Breslauer Staatlichen Akademie für Kunst: Blätter des Zeichners Paul Holz, die umgehend meine Auffassung von Kunst elektrisierten und erweiterten.
Ich erlebte eine meiner ersten Sternstunden der Kunst und sie hatte mit dem mir damals völlig unbekannten Paul Holz zu tun, dessen Arbeiten ganz ungekünstelt, ganz elementar Wirklichkeit spiegelten. So gesehen so, dass alle aufgesetzte, gestelzte Äußerlichkeit, die immer und zu jeder Zeit um Anerkennung buhlt, keinen Einlass fand.
Ich sah in diesen Zeichnungen Erstaunliches: eine Welt, der man sich unmittelbar zugehörig fühlen konnte, ohne sie selbst erlebt zu haben. Ich kannte Zeichnungen von Rembrandt, Kubin und Klee, von Grosz, Barlach und der Kollwitz. Hier aber zeichnete einer mit unmittelbar pulsierenden Lebenslinien das ihm wichtige Leben nach. Das spürte man. Das fühlte man. Der vordergründige Zauber der Farbe blieb außen vor. Man vermisste die Farbe nicht. Hier arbeitete einer mit Bleistift, Feder, Pinsel und schwarzer Tusche auf alle ihm verfügbaren Papieren und… mit einem empfindsamen Herzen. Sein scheinbar fotografisches Gedächtnis kam ohne Dunkelkammer aus. Paul Holz verzauberte ohne Manipulation, aber mit Hingabe. Das war unglaublich und selten. Das ist unglaublich und immer noch sehr selten!
Vor Jahren gab es in Prora auf Rügen, in der heute nicht mehr existierenden Sammlung Vogel, ein Kabinett mit acht Arbeiten von Paul Holz. Es war eine Wunderkammer, in der man von der Kunst das Leben lernen konnte. ARTus