Rabenliebe und kein Ende
Bachmann-Preisträger Peter Wawerzinek liest in der Orangerie Putbus
Von der Literaturkritik seit Monaten hin- und hergerissen, hochgejubelt, niedergeschrieben, ans blutende Herz gedrückt, wie Blut ausgespuckt: der autobiographische Roman Rabenliebe von Peter Wawerzinek trifft Kritiker wie Leser ins Mark, hinterlässt Bewegung, Erschütterung, Nachdenklichkeit und wir… dürfen für einen Moment Zeuge sein.
Der KulturStiftung Rügen gelang es, den heute viel umworbenen, mit Rügen durchaus eng verbundenen Autor für eine Lesung im Ausstellungsareal der Orangerie zu verpflichten. Nach dem Erhalt des wichtigen Ingeborg-Bachmann-Preises und des Klagenfurter Publikumspreises im Juni 2010 ist das so selbstverständlich nicht.
Der Schriftsteller Wawerzinek ist auf lange Zeit ausgebucht und hat seit September 2010 deutschlandweit mehr als 90 Lesungen bestritten, meistens vor ausverkauften Häusern. Er hat für die Goethe-Institute in Paris und Kairo gelesen, von Mai bis September 2011 wird er Klagenfurter Stadtschreiber sein und 2012 wird er als Dozent in Cleveland Ohio drei Monate lang über seine Arbeit zum Buch Rabenliebe referieren.
In der Orangerie Putbus konnte man den Schriftsteller zuletzt als Laudator im September 2010 vor einer Bilder- und Objekte-Ausstellung erleben, ein für viele Besucher unvergesslicher Auftritt. Morgen werden die Karibik-Bilder des Berliner Malers Rüdiger Moegelin die Lesung umrahmen. Sie könnten auf den Begriff Sehnsucht einstimmen, der bei Peter Wawerzinek selbstredend anders, elementarer, ganz im Gegenteil eher zutiefst schmerzlich die Sehnsucht nach der eigenen Mutter beschreibt, dem Aufgehobensein in einer wie auch immer familiären Geborgenheit, die der Autor selbst nie ausleben konnte.
Peter Wawerzinek wurde als Peter Runkel 1954 in Berlin geboren, von der Mutter 1956 auf der Flucht in den Westen eingesperrt zurückgelassen: eine emotionale Urkatastrophe, die sein weiteres Leben bestimmen sollte. Er überstand mehr oder weniger wohlbehütet DDR-Kinderheime in Grimmen, Nienhagen und Rerik. Nach zwei gescheiterten Adoptionsversuchen wurde er vom Reriker Lehrer-Ehepaar Wawerzinek aufgenommen. Es ist dies der Stoff, der Material für einen emotional bewegenden Roman abgibt, aber man muss ihn auch schreiben können.
Peter Wawerzinek hat sich den Roman Rabenliebe aus seiner Haut skalpiert, Seite um Seite, oft schwer erträglich, mitunter amüsant, aber immer höchst emotional und präzise in der Selbstbeobachtung, mit dem Ausweis der Authentizität, die diesen erschütternden Lebensauswurf in große Literatur zu wandeln vermochte.
Die Lesung am kommenden Sonnabend, dem 30. April, beginnt um 17 Uhr mit einem einleitenden Gespräch zwischen Peter Wawerzinek und Walter G. Goes, das Hintergründe und die Entstehungsgeschichte des Romans thematisieren möchte.
Signierstunde am Büchertisch und Einlass ab 16.30 Uhr. Karten zur Veranstaltung sind noch begrenzt am Tag der Lesung in der Orangerie erhältlich.
Walter G. Goes