Señorita de la Paz

ARTus-Kolumne »So gesehen« Nr. 536

Glaubt man einer ziemlich seriösen Nachrichtenquelle, können die Niedersachsen mit einer beständig steigenden Lebenserwartung rechnen. Ricarda Heinzel, die vor zwanzig Jahren im äußersten Südwesten Niedersachsens – in Nordhorn – geboren wurde, könnte demnach gut und gern noch die Anzahl meiner Lebensjahre aufsatteln und hätte immer noch ein Restpölsterchen Leben vor sich, auf das sie sich statistisch verlassen dürfte. Ob das wirkliche Leben sich im Einzelfall daran hält steht in den Sternen.

Die aufgeweckte Ricarda, die ich überraschend an einem Amnesty-Stand vor dem im 16. Jahrhundert errichteten Benedix-Haus am Bergener Markt entdecke, könnte auch hundert werden, mindestens. Ich wünsche es ihr von Herzen, denn Ricarda hat eine Lebensmaxime, für die das Leben nicht lang genug sein kann. Sie will, wo immer sie in der Welt Station macht, »einfach nur helfen«.

Ganz lapidar spricht sie das aus und bietet ein Lächeln an, das Besucher ihres Teams ansteckt und Wunder der Aufmerksamkeit bewirkt. Ich höre ihr gern zu und staune, wofür dieses junge Mädchen sich schon seit Jahren einsetzt. Immer schon sei sie »total engagiert gewesen«. Ihr sei es wichtig etwas zu tun, das Gerechtigkeit für alle einfordert, ganz besonders für Menschen, die keine Lobby haben…

Ihre Eltern nahmen sie mit nach Bolivien, da war sie drei Jahre alt. In La Paz, dem Regierungssitz von Bolivien, hat sie acht Jahre gelebt. An La Paz habe sie noch viele Erinnerungen und vielleicht ist der Name dieser Stadt ja auch so etwas wie der Schlüssel zum Verständnis ihres couragierten Tuns, denn »La Paz« bedeutet im Spanischen »Der Frieden«. Einst wurde die Stadt sogar »Nuestra señora de la Paz« genannt, was übersetzt »Unsere liebe Frau des Friedens« heißt. Könnte man dann Ricarda vielleicht »Seññorita de la Paz« nennen?

Als sie gerade 13 wurde kehrten die Eltern nach Deutschland zurück, nach Melle bei Osnabrück, einer Stadt, die sich als »Friedensstadt« versteht und eine Bürgerstiftung unterstützt, die seit 2003 jährlich das Projekt »KidCourage« durchführt, an dem Ricarda »selbstverständlich« mitgearbeitet hat. Dort war sie bis zum 18. Lebensjahr in einem Kinderteam der »Sonnenkinder« von »terre des hommes« (einer unabhängigen Kinderhilfsorganisation) tätig. Ricarda: »Die setzen sich aktiv für eine bessere Welt ein und kümmern sich um Kinder in Not.« Als Jugenddelegierte der Kindercouragierten nahm sie an internationalen Treffen teil. Sie spricht Spanisch, Französisch, Englisch, »das hilft bei der Verständigung fast immer«.

Derzeit studiert Ricarda an der Erfurter Universität Romanistik, mit Spanisch als Schwerpunkt. Als Nebenfach belegt sie Medien- und Kommunikationswissenschaft. Nach Argentinien wolle sie ab Februar 2012. Dort wird sie ein Teilstudium antreten, so gesehen als Erweiterung ihrer Ausbildung. Ricarda: »Ich freue mich!«

Und ich mich mit ihr! Ob man von ihr noch hören wird? ARTus

Ricarda Heinzel, geboren im Januar 1991 im niedersächsischen Nordhorn, treffe ich im September 2011 in Bergen auf Rügen. Zeichnung: ARTus