STRAWALDE in Prora

ARTus-Kolumne »SO GESEHEN« Nr. 526

Wie gern bin ich damals, vor genau zehn Jahren, immer wieder die Treppen rauf bis unters Dach in die im Koloss von Prora »stationierte« Grafiksammlung von Carl und Carin Vogel. Sie nannte sich kryptisch »Sammlung Vogel C.&C.« und war ausgestattet mit zwei phänomenal großen Sammlungskomplexen, die man möglichst sinnig durchforsten musste. Die Sammlungen »Der Zweite Blick« und »Der Weite Blick«, sich ausbreitend in nicht enden wollenden Kabinetträumen, boten beste, mitunter entlegene, selten gesehene Grafik-Beiträge von Künstlern des 20. Jahrhunderts. Einige kannte man, von anderen hatte man noch nie gehört.

Prof. Dr. Carl Vogel (1923-2006), von 1976 bis 1989 Präsident der Hochschule für bildende Künste in Hamburg, der Manie folgend noch das letzte auffindbare Grafikblatt seiner Zeit ausfindig zu machen, hat sie (fast) alle seiner privaten Sammlung einverleibt und daraus unkompliziert, immer der Aufklärung im besten bürgerlichen Sinne dienend, en masse oder in profunden Zusammenstellungen an andere Orte entliehen.

Paradiesische Zustände für Kunstfreunde, die sich nicht penibel an rein äußerlichen Begleitumständen von Präsentationen mokierten sondern viel lieber auf Entdeckungen und Wissensbereicherung aus waren. Hier, in Prora auf Rügen, im Block 3 des ehemaligen KdF-Bades, konnten sie nach Herzenslust gründeln und fündig werden. Nur Zeit, Zeit musste man schon mitbringen!

Im so gesehen wirklich weiten Blick auf die Moderne, der sich in den höher gelegenen Etagen wortwörtlich bot, galt es besonders wachsam zu bleiben. Man hatte natürlich von Joseph Beuys, von Carlfriedrich Claus, von Victor Vasarely gehört, da und dort auch manches gesehen. Wer aber kannte schon, nur mal um den Buchstaben S zu bemühen… Bernard Schultze, Walter Stöhrer, STRAWALDE?

STRAWALDE, als Jürgen Böttcher am 8. Juli 1931 in Frankenberg geboren und in Strahwalde aufgewachsen, in der Filmkunst und der Kunst der Malerei innerhalb der DDR unbotmäßig und engagiert beheimatet, widmeten die Vogels zwei der letzten oberen Räume, die gleich neben dem erwählten Liebling, dem Hamburger Zeichner Horst Janssen und seinem Kabinett den krönenden Abschluss der Sammlung bildeten.

STRAWALDE hat überaus phantasievoll Kunstpostkarten übermalt und diese per Computer weiter »veredelt«. Da erschien in herrlichster Verfremdung Giorgones nackte »Schlummernde Venus« schon mal als getüpfelter Panter mit Maske oder Liotards »Schokoladenmädchen« als lüsterne femme fatal.

Einmal schenkte mir Carl Vogel das wunderbare Ausstellungsplakat, das STRAWALDE für die Mega-Schau gestaltet und bei einem Prora-Besuch signiert hatte. Mein Exemplar trägt eine sehr persönliche Widmung. Für diese nette Geste von damals wollte ich schon immer mal Dank gesagt haben. ARTus

Der kürzlich 80 Jahre alt gewordene Künstler STRAWALDE hatte für die legendäre, heute für Rügen verlorene Sammlung Vogel in Prora das Ausstellungsplakat geschaffen. Zeichnung: ARTus