Susanne Rast in der Orangerie
ARTus-Kolumne »SO GESEHEN« 571
Von Walter G. Goes (Bergen/Rügen)
Der vor 125 Jahren am 31. Mai 1887 auf Guadelupe geborene französische Dichter, Diplomat und Nobelpreisträger für Literatur des Jahres 1960, Saint-John Perse, mag mit Blick auf eine sehr gegenwärtige, sehr ungewöhnliche Bildhauer-Ausstellung in der Orangerie Putbus einleitend zitiert sein. In seinem 1946 geschriebenem Werk Vents/Winde stehen die Zeilen: »… Aber es geht um den Menschen! Und von dem Menschen selbst, wann endlich wird von ihm Rede sein?«
In der vor drei Wochen eröffneten, unglaublich stillen, zwingend besinnlichen Ausstellung von Susanne Rast, Jahrgang 1962, ist vom Menschen und nur vom Menschen die Rede. Und das auf eine Art und Weise, die uns als Betrachter suggestiv einbezieht in den Zirkel einer Zwiesprache, in der alle Welt mit ihren Äußerlichkeiten, Befindlichkeiten, ihren Farben, ihrem Lärm außen vor bleibt. Und wir sehen, empfinden es partout nicht als Manko. Unglaubliches passiert und ich habe es selten erlebt: Man ist mit diesen Figuren allein und fühlt sich doch bereichert.
Der Berliner Kunstwissenschaftler Matthias Flügge sprach als Laudator der noch bis zum 10. Juni geöffneten Ausstellung vom »Ausdruck einer allgemeinen Wesenheit«, der den Figuren innewohnt, der von ihnen ausstrahlt, der sich niederschlägt auch in unser Empfinden, unser Nachdenken.
Die Entrücktheit der Figuren, der Skulpturen, Plastiken und Zeichnungen sind uns nicht fremd. Sie implizieren uns bekannt erscheinende Lebensentwürfe, in denen das Glück und die Trauer Ausdruck annehmen und nachhaltig Eindruck hinterlassen.
Arbeiten von Susanne Rast, so Matthias Flügge, sind immer »Setzung des Eigenen im Raum, dauerhaft und doch verletzlich. Diese Dualität ist das eigentliche Thema ihrer Kunst. Eine selten gewordene, unverzichtbare Einsicht.«
Die Stimme des Dichter Saint-John Perse spricht vom: »témoignage pour l`homme!«, dem »Zeugnis für den Menschen!« Die Bildhauerin legt es nicht ab. Sie stellt es als auf. Unverrückbar. Unverzichtbar.
»Denn es geht um den Menschen, in seiner menschlichen Gegenwart; und um eine Weitung des Auges über die höchsten inneren Meere.« Das dürfen wir dem Dichter – wie der Bildhauerin – so abnehmen. ARTus