‚Vinetas Archive‘ – so hat Uwe Kolbe diese Sammlung von Essays, Prosaskizzen und Gelegenheitsarbeiten aus den letzten fünf, sechs Jahren genannt. Das erinnert an seinen Gedichtband ‚Vineta‘ von 1998. Aber schon damals rief er den Namen der Stadt, die den pommerschen Sagen zufolge in den Fluten der Ostsee versunken ist, nicht herauf, um Ostberlin, die Hauptstadt der untergegangenen DDR, in der er 1957 geboren wurde, in einen mythologischen Ort zu verwandeln. Zu sehr steckte ihm, woran die gleichzeitig erschienene Essaysammlung ‚Renegatentermine‘ keinen Zweifel ließ, das Untergegangene in den Knochen. Denn zum Untergang der DDR gehörte ja in den Jahren nach 1990 das ständige Wiederauftauchen ihrer verborgenen Hinterlassenschaften. Im Frühjahr 1992 hat Uwe Kolbe die ihn betreffenden Stasi-Akten gesichtet, sein aktueller Titel ‚Vinetas Archive‘ spannt die poetische Chiffre des Untergangs und das Wiederauftauchen der DDR in der Prosa der Akten zusammen. / Lothar Müller, Süddeutsche Zeitung 26.5.
UWE KOLBE: Vinetas Archive. Annäherungen an Gründe. Wallstein Verlag, Göttingen 2011. 224 Seiten, 19,90 Euro.