Greifswalder Jury
Statt des angekündigten Vortrags über preiswürdige Lyrik 2011 gab es das Experiment einer Publikumsjury. Ich hatte – Ungerechtigkeit gehört unweigerlich zum Thema – sechs Gedichte aus neuen Gedichtbänden des Vorjahrs ausgewählt und ohne Namen in ein Handout kopiert. Die Gedichte wurden je zweimal vorgelesen, dann diskutierte das Publikum im Falladahaus über Pro und Contra (ich beteiligte mich nicht und es wurden auch keine Namen genannt). Bei einer ersten Abstimmung – jeder konnte bis zu 3 Texte nennen, die weiterkommen sollten – gab es klare Mehrheiten. Drei der sechs Texte erhielten mit Abstand die meisten Stimmen – es waren die drei in meiner Auswahl vertretenen Frauen: Katharina Schultens, Daniela Seel und Judith Zander. Über diese verbliebenen Texte wurde in einer weiteren Runde diskutiert (die Teilnehmer kannten die Namen immer noch nicht) und dann erneut abgestimmt. Gewinnerin des Greifswalder Publikumspreises wurde Daniela Seel mit dem Gedicht „wenn der raum“ aus dem Band „ich kann diese stelle nicht wiederfinden“, kookbooks 2011. Auf Platz 2 kam Katharina Schultens („die möglichkeit einer verwechslung bestünde jederzeit„) und auf Platz 3 Judith Zander („westwärts…„).
Die ausgeknockten Männer waren Thomas Kunst, Clemens Schittko und Ulrich Zieger.
Für Auswahl und Nichtauswahl zeichne ich verantwortlich (Duellforderungen bitte mit meinen Sekundanten klären), für die unabhängige Publikumsjury bin ich nicht haftbar, halte aber mein Kreuz hin.
Needless to say: Germanisten waren in der Publikumsjury nicht zugelassen [es waren auch keine da].
Das Experiment kann wiederholt werden.
Hier der Gewinner der Greifswalder Jury 2012:
wenn der raum des gedichts kein auge hat,
das auf ein außen sieht, nur bewegung
im körper des autors, welcher der leser ist,
moderiert, was betrachten wir dann,
wenn wir diese biene betrachten, von der
ich nicht sagen kann, ob sie friert.
wie sie kaum merklich die haut streift,
sie durchdringt. so die stelle markiert,
wo ihr körper beginnt.
Aaaalso. Für solche Studien und Experimente stelle ich mich gern zur Verfügung. Sogar für lau.
Ehrenamtlich gar?
Grüße,
Christiane.
PS: Oder als Auftakt in einem Seminar. Viel interessanter wäre es allerdings, wenn man eine Lüge einflechten würde. Etwa die Behauptung, alle Gedichte stammten von dem selben und schauen, ob’s geschluckt wird, oder behaupten, die Gedichte wären von einem anonymen Kursteilnehmer. Sowas.
für ein ehrenamt in unserm verein (der an dem abend ein neues mitglied gewonnen hat, wie schön!) ist immer platz. da wir (pom-lit) kein zweites literaturhaus neben dem koeppenhaus sein können, ist die idee hinter unserm verein: ein haus der initiativen. bei uns passiert nur, was leute, die bei uns mitmachen, selber machen. ausstellen, vorlesen, diskutieren, schaffen… you’re welcome!
und ich hab lust, aus der formulierung greifswalder jury eine reihe, einen veranstaltungstyp zu machen. vielleicht mal statt donnerstag abend sonnabend 10-15 uhr oder so, als leserjury?
das erwähnte neue mitglied staunt, dass die kommentierende christiane noch kein mitglied ist; und freut sich auf weitere leser(jury)runden.
Hmn. 🙂 Keine schlechte Idee. So’n Klavki-Abend würde ich z.B. schon gern mal veranlassen wollen. Hab dazu schon viel phantasiert. Und Anfragemails konzipiert. Toll wäre auch, seinen besten Greifswalder Freund zum Vortragen zu animieren. Dessen Art zu lesen reicht an Klavkis heran. Ein inneres Blumenpflücken ist das!
Es grübelt noch etwas:
Christiane
auja. grübeln ist gut, machen aber auch. für eine starke pomlyr im pomlit!